Exzellente Führung in Richtung Zukunftssicherheit
Der nachfolgende Text ist das Transkript des Impulsvortrags von Erhard Ziesecke, der am 18. September 2025 anlässlich der Führungskräftetagung in Düsseldorf gehalten wurde. Für die schriftliche Form wurde der mündliche Vortrag leicht überarbeitet, um die Lesbarkeit zu verbessern. Dazu wurden einige Sätze umformuliert und andere gekürzt.
Einleitung: Das Spannungsfeld verstehen
Führung ist heute eindeutig kein Schönwetter-Spaziergang mehr. Vielmehr gleicht sie einem Hochleistungssport unter ständig wechselnden Klimabedingungen. Der Druck, das spüren Sie alle, kommt heute von überall: vom Markt, von den Eigentümern, von den Mitarbeitenden – und nicht zuletzt von uns selbst. Viele von Ihnen erleben dieses immense Spannungsfeld fast täglich und fragen sich: Wie kann ich den Spagat zwischen wirtschaftlichem Erfolg, sozialer Verantwortung und meiner ganz persönlichen Belastbarkeit schaffen?
Der entscheidende Faktor: Exzellente Führung
In einer sich rapide wandelnden Welt ist es für Unternehmen zunehmend schwierig, mit den Veränderungen Schritt zu halten. Gegenwärtig beobachten wir, dass geopolitische Herausforderungen zu signifikanten wirtschaftlichen Kosten führen. Deshalb ist in Zeiten maximaler Unsicherheit exzellente Führung für die Zukunftssicherheit vieler Unternehmen entscheidend. Ich bin überzeugt, dass die Zukunft Ihres Unternehmens nicht in Berlin, Brüssel, Washington oder Peking entschieden wird. Sie entsteht in Ihrem Unternehmen, in Ihren Teams, mit jeder Entscheidung, die Sie heute treffen.
Die gute Nachricht lautet:
Führungskräfte, die es schaffen, ihr Unternehmen vom klassischen Maschinenbau zu einem intelligenten, digitalen Lösungsanbieter zu transformieren, können sich langfristig besser gegen den internationalen Wettbewerbsdruck behaupten – auch gegenüber chinesischem Preisdruck und wechselnden handelspolitischen Rahmenbedingungen in den USA.
Zwar verfügen die USA über technologische Innovationsstärke und China über enorme Datenmengen als Wettbewerbsvorteil. Doch diese Vorsprünge allein entscheiden nicht über den Erfolg. Entscheidend ist, wie Technologie, Daten und Know-how in konkrete, marktfähige Anwendungen und neue Geschäftsmodelle übersetzt werden. Genau hier liegt die Stärke vieler deutscher Industrieunternehmen – in der Verbindung von Ingenieurskunst, Kundennähe und praxisorientierter Umsetzung.
Exzellente Führung spielt dabei eine zentrale Rolle: Sie schafft die organisatorischen und kulturellen Voraussetzungen, damit Mitarbeitende den Wandel aktiv mitgestalten. Führungskräfte, die Orientierung geben, Eigenverantwortung fördern und digitale Kompetenzen aufbauen, legen den strategischen Grundstein für die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens.
Damit stellt sich die entscheidende Frage: Wie sollten Mitarbeitende geführt werden, damit sie die Transformation mittragen und vorantreiben?
Paradigmenwechsel in der Führung
Blicken wir nur zehn Jahre zurück, stellen wir fest, dass Führung damals stark von Planung, Kontrolle und Ergebnisorientierung geprägt war. Doch diese Methoden stammen aus einer Zeit stabiler Märkte, wie es sie heute nicht mehr gibt. Heute gelten ganz neue Spielregeln. So muss beispielsweise eine Kultur der Innovation das Scheitern tolerieren, ohne dass dies Auswirkungen auf die Karriere hat.
Meine Beobachtungen zeigen, dass Innovationen, marktfähige Anwendungen und neue Geschäftsmodelle dort entstehen, wo Menschen nah an Kundinnen und Kunden, Märkten, Technologien oder den eigentlichen Problemen arbeiten. Neue Ideen und echte Durchbrüche entstehen nicht in den Hierarchien, nicht in der Mitte oder an der Spitze einer Organisation, wo Strukturen, Regeln und Kontrolle dominieren. Denn Mitarbeitende erwarten heute weit mehr als nur Anweisungen: Sie wollen Sinn erleben, sich beteiligen und sich weiterentwickeln. Das Problem ist: Viele Organisationen arbeiten immer noch mit Werkzeugen aus dem letzten Jahrhundert, obwohl sich die Welt faktisch im Halbjahrestakt neu erfindet. Exzellente Führung bedeutet deshalb einen Paradigmenwechsel:
Und ja, Unternehmen müssen heute antifragil werden. Das bedeutet, dass wir Krisen nicht nur überstehen, sondern auch aus ihnen lernen sollten. Wir müssen an ihnen wachsen. Das in diesem Zusammenhang oft verwendete Wort „Resilienz” bedeutet lediglich „überleben”. Antifragilität bedeutet hingegen, durch Erschütterungen besser zu werden. Wie meine Gespräche mit Führungskräften aus wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen zeigen, gelingt das am besten, wenn konsequent auf Lernen, Dezentralität und eine starke Feedbackkultur gesetzt wird. In diesen Gesprächen habe ich drei Säulen exzellenter Führung entdeckt:
Selbstführung: Klarheit beginnt innen
Bevor wir andere führen können, müssen wir zunächst uns selbst führen. Das ist keine Esoterik, meine Damen und Herren, sondern schlichtweg eine Frage der Ökonomie. Selbstführung bedeutet, die eigenen Energiequellen, Werte und Grenzen genau zu kennen – ebenso wie die eigenen Stärken und Entwicklungsfelder. Erst wenn wir uns selbst verstehen, sind wir in der Lage, unser Denken, Fühlen und Handeln bewusst zu steuern und unsere Ziele wirksam zu verfolgen.
Erfahrungen aus exzellent geführten Organisationen zeigen: Führungskräfte mit ausgeprägter Selbstwahrnehmung erzielen nachweislich bessere Teamleistungen. Denn wer sich selbst führen kann, kann auch andere inspirieren und fördern.
Ich lade Sie ein, sich regelmäßig folgende Fragen zu stellen:
Das ist keine Wohlfühlübung, sondern eine Investition in Ihre Führungsfähigkeit. In einer BANI-Welt ist Perfektion eine Illusion – Exzellenz hingegen ist möglich. Sie bedeutet, unter den gegebenen Umständen das Bestmögliche zu leisten. Zeigen Sie Haltung – und Mut zur Verletzlichkeit. Wer offen zugibt, nicht alle Antworten zu haben, schafft paradoxerweise das größte Vertrauen. Authentizität ist kein „weiches“ Thema, sondern ein entscheidender Erfolgsfaktor wirksamer Führung. Selbstführung ist die Basis, Authentizität ihre sichtbare Wirkung. Wer sich selbst klar führen kann, wird auch andere klarer, empathischer und erfolgreicher führen.
Menschenführung: Vertrauen schlägt Kontrolle
Psychologische Sicherheit ist heute kein Luxus mehr, sondern unser wichtigster Produktivitätsfaktor.
Meine Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit Organisationen aus der industriellen Produktion und industrienahen Dienstleistungen belegt: Teams mit hoher psychologischer Sicherheit sind deutlich innovativer und wesentlich loyaler. Diese Sicherheit entsteht, wenn im Führungsalltag drei Dinge unser Handeln bestimmen:
1. Echtes Zuhören
– nicht, um schnell zu antworten, sondern, um tief zu verstehen. Die Menschen wollen Teil der Lösung sein.
2. Eine Fehlerkultur statt Schuldzuweisungen
Zukunft entsteht durch Lernen, nicht durch Perfektion. Eine Kultur der „Fallsicherheit“, in der Experimentieren erlaubt ist, schafft Mut. Angst produziert dagegen Stillstand.
3. Autonomie in klaren Rahmenbedingungen
Meine Beobachtungen belegen: Autonomie wirkt nur, wenn die Ziele sehr klar sind, die Feedbackzyklen eng sind und die nötigen Ressourcen verfügbar sind. Lassen Sie uns deshalb kurz über Ressourcen sprechen.
Zeitressourcen: Autonomie braucht Zeitpuffer zum Denken, Lernen und Experimentieren. Sind Teams zu 100 Prozent ausgelastet, bedeutet „Autonomie” oft nur „mehr Verantwortung ohne Entlastung”. Das führt zu Stress statt Innovation. Führung muss der logischen Verknüpfung zweier Aussagen Rechnung tragen: Wer Autonomie gewährt, muss Kapazitäten schaffen, etwa durch konsequente Priorisierung oder die Entlastung von Routinearbeit.
Finanzielle Ressourcen: Die Teams müssen über Entscheidungsfreiheiten mit Budgetrelevanz verfügen. Wenn jede kleine Anschaffung oder Pilotmaßnahme erst durch verschiedene Hierarchieebenen genehmigt werden muss, ist Autonomie eine Illusion. Führungsimplikation 1: Richten Sie „Vertrauensbudgets“ oder „Innovationsfonds“ ein, über die die Teams selbst entscheiden können, zum Beispiel fünf Prozent des Projektvolumens für Experimente.
Kompetenzressourcen: Autonomie funktioniert nur, wenn die Mitarbeitenden über die entsprechenden Fähigkeiten, Kenntnisse und Werkzeuge verfügen, um wirklich gute Entscheidungen zu treffen. Andernfalls führt Autonomie nur zu Unsicherheit oder Fehlentscheidungen. Führungsimplikation 2: Investieren Sie massiv in Weiterbildung, Coaching und die Fähigkeit, Entscheidungen systematisch und fundiert zu treffen. Dazu gehört das Verständnis des Entscheidungsprozesses, das Bewerten von Optionen, das Anwenden von Wissen und das Treffen von Entscheidungen auf der Grundlage von Daten und Analysen. Vertrauen ist also kein Freifahrtschein, sondern eine ganz bewusste, aktive Führungsentscheidung.
Und vergessen Sie nie: Wertschätzung ist die günstigste und wirksamste Form von Gehalt! Geld motiviert nur kurzfristig, Anerkennung hingegen langfristig.
Unternehmensführung: Klarheit und Sinn schaffen
In Krisenzeiten ist das größte Risiko nicht das Scheitern, sondern die Zersplitterung durch Unklarheit. Klarheit ist die neue Währung der Zuversicht! Wir schaffen sie in drei Schritten:
1. Vision greifbar machen
Wie sieht unser Erfolg in einem Jahr wirklich aus? Nutzen Sie Storytelling! Menschen folgen keiner PowerPoint-Präsentation, sondern einer fesselnden Geschichte.
2. Fokussieren statt verzetteln
Fragen Sie sich: „Was sind die drei unverhandelbaren Prioritäten für die nächsten 90 Tage?” Alles andere wird delegiert oder gestrichen. Fokus ist das neue Multitasking.
3. Sinn vermitteln
In unsicheren Zeiten ist Sinn das stärkste Bindemittel. Menschen wollen wissen, wofür sich ihr Einsatz wirklich lohnt. In Gesprächen mit mir berichten Führungskräfte, dass Mitarbeitende, die den Sinn ihrer Arbeit verstehen, deutlich loyaler sind.
Von der Theorie zur Praxis – fünf konkrete Hebel
Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch fünf Hebel mitgeben, die Sie sofort umsetzen können:
1. Transparenz bieten
Gerüchte entstehen immer dort, wo Informationen fehlen. Kommunizieren Sie offen, regelmäßig und vor allem mutig. Das baut ein unerschütterliches Vertrauen auf.
2. Auf agiles Handeln statt starrer Planung setzen
Kurze 90-Tage-Zyklen, schnelle Feedbacks und kleine Experimente sind der Schlüssel. Geschwindigkeit schlägt Perfektion.
3. In Menschen investieren
Kürzungen bei der Personalentwicklung sind der teuerste Fehler, den Sie machen können. Identifizieren Sie die 20 Prozent Ihrer Mitarbeiter, die für 80 Prozent des Erfolgs verantwortlich sind, und fördern Sie sie. Geben Sie ihnen Verantwortung und Raum zur Gestaltung.
4. Die Außenorientierung bewahren
In Krisen schauen viele nach innen. Erfolgreiche Führung schaut jedoch konsequent nach außen – zu Kunden, Partnern und Marktveränderungen. Fragen Sie sich deshalb jeden Tag: „Welches Problem meiner Kunden kann ich heute besser und vorausschauend lösen?”
5. Erfolge sichtbar machen
Feiern Sie Ihre Fortschritte, auch die kleinen. Erfolg nährt Hoffnung – und Hoffnung hält Teams in Bewegung. Ein außergewöhnlich erfolgreicher schwedischer Manager hat sein Team nach jedem maßgeblichen Erfolg zu einer kleinen Feier in die Kantine eingeladen und dabei eine Prinzessinnentorte, einen schwedischen Nationalkuchen, serviert.
Die Wirkung exzellenter Führung
Unser Verhalten als Führungskraft wirkt ansteckend.
Menschen folgen nicht Strategien, sondern Stimmungen. Und diese Stimmung, meine Damen und Herren, beginnt bei Ihnen. Exzellente Führung bedeutet, eine Kultur zu schaffen, die aus Herausforderungen wächst. Eine Organisation, die nicht auf Schocks reagiert, sondern aus ihnen lernt. Das ist Zukunftssicherheit in Aktion. Zum Schluss noch ein paar Worte:
Die Zukunft beginnt bei Ihnen
In den letzten Jahren habe ich viele Führungskräfte getroffen: erschöpfte, kämpferische und hoffnungsvolle. Die Erfolgreichsten unter ihnen haben eines gemeinsam: Sie glauben an die Zukunft. Nicht, weil sie naiv sind, sondern weil sie handeln, statt zu hadern. Führung bedeutet, inmitten von Knappheit Fülle zu erzeugen – durch Sinn, Energie und eine klare Richtung. Exzellente Führung ist keine Technik, sondern eine Haltung.
Krisen zerstören keine Unternehmen – sie legen nur offen, was fehlt, und zeigen, wer wirklich führt. In diesem Sinne: Sie sind der Kompass! Die Zukunft gehört nicht den größten, sondern den mutigsten Unternehmen.
Und diese Zukunft beginnt bei Ihnen. Jetzt!